Mittwoch, 26. September 2012

Tigermutter

Dieses Buch hatte ich in meinem Urlaubsköfferchen und weil es immer noch nachschwingt (nicht das Köfferchen!) und zumindest zum Nachdenken anregt, wenn man sein Kind bewußt beim älter werden begleitet (ich mag das Wort Er-zieh-ung nicht), möchte ich es gerne in die Diskussionsrunde werfen. Oder einfach nur weiter empfehlen. In Amerika ist Frau Chua für Ihre Methoden fast gesteinigt worden, so daß sich die Töchter für die Veröffentlichung des Taschenbuches gezwungen sahen ein Mutter schützendes Nachwort zu verfassen. 
Frau Chua stellt westliche Erziehungsmethoden und die damit verbundene Erfolglosigkeit (aus chinesischer Sicht) in Frage oder erklärt viel mehr, warum chinesische Musiker (wir reden hier nicht von Schlagzeugern, die sind per se Drogenabhängig) und Sportler oft überragende Leistungen bringen. Ich habe mich bei der Lektüre um Distanz, Neutralität und Verständnis bemüht. Auch habe ich die viel zitierte Ironie der Autorin berücksichtigt, aber unterm Strich wird bestätigt, was man schon ahnt: emotional bleiben die Tigerkinder komplett auf der Strecke, da diese Komponente in der chinesischen Erziehung nicht existiert. Eine Tigermutter verlangt von Ihren Kindern permanente Leistung( eine eins minus gilt bereits als schlechte Note), Disziplin und Fleiß, da diese nur gedrillt und bis an Ihre Grenzen ausgeschöpft, ein lebenswürdiges Dasein führen können. So fern eine westliche Schule besucht wird, findet Sozialisation nur dort statt, mehr Raum und Zeit steht dafür nicht zur Verfügung, auch nicht für Geburtstags- oder Übernachtungspartys, Computerspiele, Kinobesuche, Schultheateraufführungen oder sonstiges nutzloses Zeugs. An solchen Dingen nehmen Tigerkinder nicht teil und Sport wird nur mit absoluter Leistungsbereitschaft immer die/ der Beste zu sein, gestattet. Tigermütter sind ehrgeizig und fordern alles von und für Ihre Kinder. Nach der Lektüre bleibt man nachdenklich zurück; zum einen, weil beide gedrillten Töchter ihre Kinder, trotz viel eigenen Leids, im gleichen Stil erziehen wollen und zum anderen begreift man, wie Kinderliebe in China verstanden wird und das unsere Maßstäbe eher für Gleichgültigkeit sprechen.
Auch das Jubeln mit Belohnung bei kleinsten Fortschritten schon im Kindesalter, ist eine rein westliche Verhaltensweise. Krakeleien werden von Tigermüttern ignoriert, wenn die U3-jährigen doch dem Alphabet intelektuell schon gewachsen wären. Die eigentlich vorhandenen kindlichen Fähigkeiten werden durch übertriebene Lobhudeleien völlig unterschätzt und eher als Beleidigung empfunden. Nicht, das wir uns falsch verstehen: mir ist der Umgang einer Tigermutter mit ihren Kindern nicht individuell genug, aber ich gehe in dem Punkt, das Kinder alles mitbringen, wenn sie auf diese Welt kommen und Eltern zur Förderung gefordert sind, mit. Verbunden mit Spaß und Lebensfreude können wir unseren Kindern durchaus einiges zutrauen. Natürlich muß der Filius jetzt nicht täglich drei bis sechs Stunden Geige üben, aber 20 Minuten Schlagzeug kann man ihm durchaus abverlangen, auch wenn seine Kiffer Karriere damit quasi vorprogrammiert ist;-))

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